Tag des Ehrenamts: Interview zur Zukunft des Ehrenamts im Katastrophenschutz
Aktuell fühlen sich viele Menschen angesichts der sich überlagernden Katastrophen – von Pandemie und Klima bis hin zu Kriegen und terroristischen Bedrohungen – beunruhigt. Gerade in diesen stürmischen Zeiten ist es daher wichtig, auf einen funktionierenden Katastrophenschutz vertrauen zu können. Die vier Hilfsorganisationen Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) und Malteser Hilfsdienst (MHD) sind jederzeit für die Menschen in Münster da, bereiten sich vor und passen sich an veränderte Rahmenbedingungen an.
Was genau macht eigentlich ein*e Katastrophenschützer*in? In den meisten Einsätzen ist vor allem der Betreuungsdienst gefragt. Hier geht es darum, Menschen eine Unterkunft herzurichten, sie zu betreuen und zu verpflegen, wenn sie kurzfristig – während einer Bombenevakuierung zum Beispiel – ihre Wohnung verlassen müssen. Auch Transporte von Rollstuhlfahrer*innen oder bettlägerigen Personen an einen sicheren Ort gehören dazu. Zur so genannten Einsatzeinheit gehören aber auch der Bereich Technik sowie die Sanitätsgruppe. Sie kommt in einem städtisch geprägten Bereich wie Münster, wo die rettungsdienstliche und medizinische Infrastruktur sehr gut ausgebaut ist, allerdings seltener zum Einsatz. Ein trauriges Beispiel war der Kiepenkerl-Einsatz im April 2018. Bei Großereignissen wie der Fußball-EM im kommenden Jahr gehen regelmäßig Einsatzeinheiten in Bereitstellung – für den Fall der Fälle.
Alle vier Hilfsorganisationen ASB, DRK, Johanniter und Malteser arbeiten in Münster eng zusammen. „Wir haben durch unsere regelmäßigen gemeinsamen sanitätsdienstlichen Einsätze, zum Beispiel beim Marathon und Giro, sowie bei größeren Betreuungseinsätzen ein gutes Miteinander“, erläutert Michael Bußmann (MHD). „Wenn alarmiert wird, muss es schnell gehen. Da haben wir durchaus einen zeitlichen Vorteil, weil wir gemischte Einheiten bilden können, die durch den ‚Leiter Hilfsorganisationen‘ koordiniert werden“, so Bußmann weiter.
Es ist der Spaß am gemeinsamen Engagement und das gute Gefühl etwas Sinnvolles für andere Menschen und die Gesellschaft zu tun, was die Helfer*innen der vier Hilfsorganisationen motiviert. „Bei uns findet man eine tolle Gemeinschaft und ein breites Angebot an Einsatzmöglichkeiten, die Sinn stiften“, erklären Bußmann sowie seine Kollegen Michael Krimpmann (DRK) und Hannes Oberfeld (JUH) einhellig. „Dafür brauchen unsere Ehrenamtlichen die gesellschaftliche Wertschätzung und Anerkennung der geleisteten Arbeit. Als Organisationen benötigen wir aber auch die Unterstützung der Politik, um die materielle Ausstattung weiterhin zu sichern und zu verbessern.“
Bei gleichzeitig geringer werdenden öffentlichen Mitteln, seien die laufenden Kosten für ASB, DRK, JUH und MHD in den letzten Jahren geradezu explodiert. „Auf Dauer ist das nicht finanzierbar“, sind sich alle einig. Die aktuell geplanten Kürzungen im Bundeshaushalt für die Bereiche Bevölkerungsschutz und zivile Verteidigung bedeuten einen herben Schlag für die Hilfsorganisationen. „Das könnte bedeuten, dass neue Konzepte und Module für Großschadenslagen, die beispielsweise nach der Flutkatastrophe im Ahrtal entwickelt wurden, zunächst nicht umgesetzt werden“, blickt Krimpmann in die Zukunft. Innovationen, um sich auf neue Szenarien in der Folge des Klimawandels und der weltpolitischen Lage einzustellen, aber auch dringend notwendige Erneuerungen von Fahrzeugen müssten wohl verschoben werden, sollte es zu diesen Kürzungen kommen.
20, 30 oder mehr Jahre ehrenamtlich in einer Organisation aktiv – das war bislang keine Seltenheit. Stetige Fluktuation und der Wunsch nach Flexibilität verändern das Ehrenamt. Gerade in Münster gibt es eine so vielfältige Auswahl an ehrenamtlichen Betätigungsmöglichkeiten, dass eine kontinuierliche Zugehörigkeit zu einer Hilfsorganisation seltener geworden ist. Viele junge Ehrenamtliche sind während ihres Studiums oder ihrer Ausbildung aktiv, bis sie ins Berufsleben starten oder wegziehen. „Dabei geht den Hilfsorganisationen viel Engagement verloren, wir müssen immer wieder neu um Ehrenamtliche werben“, erklärt Oberfeld. Da tröstet es kaum, dass wer einmal vom Katastrophenschutz begeistert ist und sich dafür mit einem nicht unerheblichen Aufwand hat ausbilden lassen, diesem Ehrenamt oft auch an einem neuen Ort treu bleibt.
In den letzten Jahren sind die Schadenslagen zunehmend komplexer geworden, die Anforderungen an die Ausbildung der Ehrenamtlichen sind hoch. Sind niederschwellige Angebote für ein Engagement realistisch? „Es ist eindeutig: eine ‚Einsatzkraft light‘ gibt es nicht. Die umfangreiche Qualifikation unserer Ehrenamtlichen ist wichtig und unverzichtbar“, sagt Krimpmann. „Wir haben aber gesehen, dass zum Beispiel beim Hochwasser in Münster vor einigen Jahren oder der Flutkatastrophe im Ahrtal spontan Menschen helfen und mitanpacken wollen. Das kann ein Einstieg sein, der Lust auf ein längerfristiges Engagement im Katastrophenschutz macht. Unsere Aufgabe ist es dann, diese Engagierten gut einzubinden und zu schauen, was am besten zur der jeweiligen Person passen könnte.“ Ein weiterer Einstieg ins Ehrenamt ist der Sanitätsdienst, zum Beispiel im Preußenstadion, auf Konzerten und Festivals, beim Karneval oder auf dem Send. „Dafür braucht man zunächst nur eine Sanitätsdienstausbildung und kann dann später nach und nach weitere Ausbildungen in den Bereichen Betreuungsdienst und Technik folgen lassen“, erläutert Oberfeld.